Zu Spalding
Zur Edition
 


J. J. Spalding ist eine der prägenden Figuren in der geistigen Landschaft des 18. Jahrhunderts und ein Hauptvertreter der deutschen Aufklärungstheologie. Seine Schriften wurden von nahezu allen Theologen seiner Generation und darüber hinaus von Kant, Goethe, Herder, Fichte, Schleiermacher und vielen anderen berühmten Zeitgenossen, mit deren Mehrzahl er korrespondierte, rezipiert und damit zu Gründungsdokumenten der Aufklärung.

Nach Studium in Greifswald und Rostock und Promotion ebenda (1736) wirkte Spalding zunächst als Hauslehrer und Pfarrer in Schwedisch-Vorpommern. In diese Zeit fallen seine intensive Beschäftigung mit der englischen Aufklärungsphilosophie (Shaftesbury, Hutcheson, Butler) und der enge Umgang mit den Schweizern J. C. Lavater, H. Füssli und F. Heß, die von Mai 1763 bis Januar 1764 in seinem Pfarrhaus in Barth Quartier gefunden hatten. 1764 wechselte Spalding als preußischer Oberkonsistorialrat, Propst und erster Pfarrer an der Marien- und Nikolaikirche nach Berlin, wo er bis zu seinem Tode verblieb. Aus Protest gegen das Wöllnersche Religionsedikt hatte er 1788 seine Propststelle und alle damit verbundenen Ämter, nicht jedoch sein Amt im Oberkonsistorium niedergelegt. In Berlin wurde Spalding rasch zum Haupt der kirchlichen Neologie. Am preußischen Hof (Hofprediger, zudem Seelsorger und Beichtvater der Königin Elisabeth Christine) sowie in der Berliner Gesellschaft (u.a. Mitglied des "Montagsclubs", der "Mittwochsgesellschaft", der "Gesellschaft der Freunde der Aufklärung" und regelmäßiger Gast im Hause Markus Herz) genoß er ebenso Respekt und Verehrung wie unter den kirchlichen (z.B. Sack, Jerusalem), theologischen (z.B. Semler, Schleiermacher), literarischen (z.B. Goethe) und philosophischen (z.B. Mendelssohn, Kant) Repräsentanten seiner Zeit, mit denen er intensiven Austausch pflegte.

Die literarische Hinterlassenschaft Spaldings besteht aus mehreren Hauptschriften, die er von Auflage zu Auflage überarbeitet und erweitert hat, ferner aus einer Reihe von kleineren Gelegenheits-schriften, aus Predigten, Übersetzungen und einem ausgedehnten Briefwechsel, von dem allerdings wohl erhebliche Teile als verloren gelten müssen, auch wenn sich der Überlieferungsstand derzeit noch nicht abschließend beurteilen läßt. Von diesem vielgestaltigen Werk sind vor Beginn der Kritischen Spalding-Ausgabe nur die "Bestimmung des Menschen" (Erstauflage 1748) sowie einzelne Predigten noch einmal gedruckt worden.

Wertvolle biographische Einblicke gewähren die beiden autobiographischen Schriften Spaldings, die zur Buchmesse 2002 als Band I/6-2 veröffentlicht wurden. Seine einst unautorisiert veröffentlichten "Briefe an Gleim" werden darin erstmals unter kritischer Einbeziehung der vollständigen handschriftlichen Vorlagen geboten. Seine schonungslos offene, sympathische "Lebensbeschreibung" ist zugleich ein Schlüsseldokument der gesamten Epoche.

Band I/6-2: Kleinere Schriften 2:
Briefe an Gleim - Lebensbeschreibung.
Hg. von Albrecht Beutel und Tobias Jersak
Tübingen: Mohr Siebeck, 2002.
ISBN: 3-16-147809-6

Top